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Der Mentor gibt das Tempo vor

Die Berliner Band Elegant
ELEGANT 1983 (Foto:Siemoneit)

Die Band hatte sich schließlich für das beste Angebot mit Aufnahmen in den berühmten Hansa- Tonstudios entschlossen. Wie sie während der Aufnahmen bei Hansa feststellten, waren sie dabei in guter Gesellschaft. An den Aufnahmereglern saß nämlich der einstige Gitarrist der Berliner Band The Rainbows Rolf Schröder.

 

Die Rainbows waren 1966 mit ihrem Riesenhit „Balla, Balla“ international bekannt geworden. Während der Pausen plauderte Rolf Schröder ab und zu aus dem Nähkästchen und hatte zur Freude aller Anwesenden die eine oder andere unterhaltsame Anekdote parat.

 

Produziert wurden die Aufnahmen von dem ehemaligen Mitglied der Berliner Band Tempo und späteren Musikchef bei Radio1, Peter Radszuhn. Tempo feierten in den späten siebziger Jahren mit Songs wie „Kalt wie Eis" oder „No No No" große Erfolge und hatten es sogar zu einem eigenen Kinofilm gebracht. Da waren nun also im Spätsommer 1983, mehr oder minder zufällig, drei Generationen Berliner Bands im Studio versammelt, um ein kleines Stück Musikgeschichte zu schreiben.

 

Keiner der Beteiligten ließ sich bezüglich dieser Tatsache jedoch beeindrucken, obwohl ihnen dieser Umstand durchaus bewusst war. Sie machten ihre Scherze darüber und zogen sich gegenseitig damit auf. Dadurch entstand eine entspannte, freundliche Atmosphäre, die nicht unerheblich zum guten Gelingen der Aufnahmen beitrug. Peter Radszuhn und Elegant kannten sich schon einige Zeit und die Band hatte bereits ein paar seiner Anregungen live ausprobiert und erfolgreich umgesetzt. Als verantwortlicher Produzent wußte Radszuhn natürlich um alle Songs der Band und hatte vier davon für diese Aufnahme-Session ausgewählt.

 

Seine Wahl für eine Single A-Seite fiel auf den Titel „Wenn du wiederkommst“. Die Band selbst hielt diesen Titel keineswegs für ihren besten und war nicht davon überzeugt, dass er eine erfolgreiche Single abgeben würde. Peter Radszuhn wusste jedoch, was er wollte und warum er ausgerechnet diesen Titel ausgesucht hatte. Er arrangierte den Song geringfügig um und fügte dann einen aparten, reizvollen Bläsersatz hinzu. Das gab dem Lied eine völlig individuelle, eigentümliche Note. Die Band war positiv überrascht. Damit hatte er sie überzeugt.

 

Als alle Instrumente eingespielt waren, setzte Rainer noch einen sehr persönlichen, eindringlichen Gesang darauf, der allen, die das Lied schließlich in der Endfassung hörten, einen sonderbaren, faszinierenden Schauer über den Rücken laufen lies. Der Song war perfekt. Jetzt war auch dem letzten Zweifler klar, warum Radszuhn diesen Titel ausgesucht hatte. Alle Beteiligten waren sicher, dass dieser Song das Potential zu einem Hit hatte.

 

Obwohl die Aufnahmen in einer entspannten, lockeren Atmosphäre stattfanden, drückte der Produzent aufs Tempo. Es standen nur drei Tage für die Aufnahmen zur Verfügung und neben dem „Hauptsong“ sollten noch weitere Titel aufgenommen werden. Für die Band war das kein Problem. Durch die vielen Liveauftritte und das ständige Proben im Übungsraum war die Gruppe außerordentlich professionell geworden. Sie konnten ihr gesamtes Repertoire im Schlaf runterspielen und selbst neue Songs hatten sie innerhalb eines Tages eingeübt.

 

Bei den anderen Songs, die während der „Hansa-Session“ aufgenommen wurden, handelte es sich um „Träumen Tag und Nacht“, aus Hansi Nischwitz musikalischer Feder, mit einem Text von Rainer, eine Neuaufnahme von „1,2,3, vorbei!“ und den Song „Luftballon“.

 

Dieser Song hieß ursprünglich „Komm zu mir“ und war schon ein paar Mal im Live-Programm von Elegant aufgetaucht. Der Text dazu gefiel Peter Radszuhn jedoch nicht und er fragte Rainer, ob er bereit wäre, kurzfristig einen neuen zu schreiben. Rainer willigte ein, da er selbst mit seinem Text nicht zufrieden war und schrieb ihn um. Der neue Text fand Gnade in den Augen des Meisters und wurde sodann als „Luftballon“ aufgenommen.

Elegant-Badges

 

Die Hansa-Session:

 

Produzent Peter Radszuhn
Produzent Peter Radszuhn

Bei den Aufnahmen in den Hansa-Studios mit Peter Radszuhn 1983

Geschmäcker, sagt der Bäcker

Die Aufnahmen in den Hansa-Tonstudios waren für Elegant ein voller Erfolg. Die Beteiligten waren sich beim Hören der fertigen Songs einig, dass jeder von ihnen das Potential zu einem echten Hit besaß.

 

Peter Radszuhn hatte die Songs kraftvoll und klar produziert, ohne den Charakter der Band zu verändern. Aber er hatte ihrem unverkennbaren Stil zu einem akzentuierteren Sound verholfen, der die Band in einem neuen Licht erscheinen ließ. Er hatte das, was die Band unter „Deutsch-Pop“ verstand, herausgearbeitet und lebendig werden lassen. Mit einem Mal klang der Punk nach Pop und der Protest nach Poesie.

 

Zwar hatte Radszuhn die Ursprünglichkeit und Originalität der Band erhalten, sie jedoch veredelt und poliert, nicht glattgebügelt, aber neu verpackt. Damit hatte er die Richtung, in die es ging, vorgegeben: Deutschpop, dein Name ist Elegant.

 

Allerdings dämpfte Peter Radszuhn die aufkommende Euphorie nach dem Hören der Aufnahmen gleich wieder, indem er erklärte, wie schwer es für eine so andersartige und ungewöhnliche Band wie Elegant werden könnte, sich zu etablieren. Er wollte der Gruppe keine übertriebenen Hoffnungen machen und sie auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Er kannte den Markt und er kannte leidlich den Geschmack vieler Plattenbosse. Und er kannte auch das Musikverständnis seiner Auftraggeber, denn er war sich nicht sicher, wie die Aufnahmen bei ihnen ankommen würden. Auch in dieser Richtung dämpfte er deshalb die Erwartungen.

 

Die eleganten Vier machten sich darüber allerdings weniger Gedanken. Solche Argumente hatten sie schon des öfteren von verschiedenen Seiten gehört. Wann immer die Sprache auf die Gruppe kam, ob beim Rundfunk, bei Musikverlagen oder bei der Presse, fielen ständig ähnliche Begriffe wie: „außergewöhnlich“, „erstaunlich“, „einzigartig“ oder „irgendwie anders“ bis hin zu „nicht richtig einzuordnen“.

 

Für die Band war es deshalb das wichtigste, das die Aufnahmen gut geworden waren und sie musikalisch weitergebracht hatten. Und das Schönste dabei war, der neue Sound lies sich auch problemlos auf der Bühne bei Live-Konzerten umsetzten. Denn inzwischen richteten sich immer mehr Augen auf die Vier von Elegant.

Elegant während einer Aufnahmepause
Pause während der Hansa-Session. Hansi, Rainer, Michael

Fluch und Segen

Elegant Liveauftritt
Hansi (hinten) und Michael

Dass der Band nun eine immer größere Aufmerksamkeit zuteil wurde, war ihnen endgültig klar geworden, seit sie als Programmtip für ihr nächstes Konzert auf der Titelseite der BILD-Zeitung erschienen waren. (20) Und dieses Konzert spielte die Band bereits in ihrem neuen Sound.

 

Allerdings mussten sich die vier erst daran gewöhnen, dass sie nun im Hintergrund teilweise durch andere Instrumente bzw. eine Gruppe von Bläsern verstärkt wurden. Viele Leute sagten schließlich, jetzt klängen Elegant endgültig wie eine englische Band mit deutschen Texten.

 

So ähnlich hatten sie zwar vorher auch schon geklungen, aber Peter Radszuhn hatte ihnen in den neuen Songs mehr Ausdruckskraft verliehen und ihre Musik komplexer werden lassen. Es war ihm gelungen, das Potential der Band voll auszuschöpfen. Er hatte Musik und Gesang beeindruckend gut miteinander verknüpft und ihren Klang damit entfaltet und bereichert.

 

Das erwies sich nun allerdings als Segen und Fluch zugleich. Alle, die die neuen Songs hörten, waren beeindruckt. Wie konnte eine deutsche Band solch englische Musik machen und dazu deutsche Texte singen? Das passte für viele nicht zusammen. Und auch die Band hatte damit schon länger ihre Schwierigkeiten. Die Frage schwelte bereits einige Zeit unter der Oberfläche, war bisher aber noch nicht zutage getreten. Sollten sie so weitermachen?